Oft, wenn es mit einer Person auseinander geht, führe ich es auf kulturelle Dinge zurück. Dass ich nicht so bin, wie sie es brauchen. So, wie es ihre eingerichtete Welt bestätigt, affirmiert. Ich breche mit dieser ihren Welt, bin ein Stachel, eine Wunde, eine Scherbe.
Und dann denke ich, es gibt doch niemanden sonst. Alle, die ich kenne, lesen diese Bücher, halten sich an das Gemeine. Wie soll ich wen finden, dessen Leben ich nicht breche. Ich denke, ich würde sie befreien, doch das tue ich nicht.
DENN DIESE MENSCHEN SIND AUSSENSEITER. DIE MENSCHEN, DIE ICH LIEBE, AFFIRMIEREN BESTEHENDES NUR MIT EINEM HALBEN HERZ. UND MIT DEM ANDEREN HALBEN AFFIRMIEREN SIE MICH. DOCH AM ENDE GEWINNT DER HUMUS IHRER EXISTENZ. DAS, WO SIE ANSCHLUSS SEHEN. DAS, WO SIE EINE GESELLSCHAFTLICHES AUFGEHOBENSEIN ERSPÜREN. UND NICHT BEI MIR. FERN DAVON, FERN IM BRUCH. IN DER UNGLEICHHEIT, IM FALL, IN DER ZERBROCHENHEIT.
Es ist eine Geschichte, die bis zu meiner Mutter zurückgeht. Denn sie sah dieses Kind und fühlte es, fühlte Sympathie, doch dann war da die Welt, die ihr sagte, dass dieses Kind so nicht sein könne; oder dass, wenn dieses Kind so sei, sie dafür keine Worte, keine Zustimmung, keine Bejahung übrig hätte. Kein Verständnis, kein Umarmen, kein Unterstützen.
Am Ende gewann die ihre Welt, diese die sie zum Leben brauchte. Ohne die sie nichts wäre. Ohne diese sie hineingestiegen wäre in diese eternale Gebrochenheit ihres Kindes – die auch die ihre ist.
Es ist bekannt, dass Einsamkeit nicht dadurch entsteht, niemanden um sich zu haben. Sondern gerade dadurch, dass Menschen da sind, vielleicht sogar Vertraute, die sich fern anfühlen, zu denen man keine Nähe oder nicht ausreichend Nähe aufbauen kann, die einem nicht zuhören, einen nicht verstehen.
Vielleicht ist das Auslass für mein gesellschaftliches Unbehagen. Dass nun so viele in meinem Alter als Schreibende existieren; dass die Themen, und vor alle die Theorie, die mir nahe ist, und die mir alles bedeutet, es in eine stärkere Öffentlichkeit, in den Mainstream geschafft hat. Und bei all dem auf eine Weise, die mich eher entfremdet, mich auf mich zurückwirft, die mich nicht anknüpfen lässt, und die mich nicht aus dem Schatten treten lässt.
Männer können großartig sein. Erotisch großartig, besänftigend großartig. So großartig, dass ich mich in ihre Lippen, in ihre Muskeln, in ihre Ruhe und Sanftheit fallen lassen möchte.
Doch. Mir fehlt etwas. Und es fehlte oft. Nämlich sowas wie eine Beständigkeit des Herzens. Die Gewissheit, dass das Herz immer gewinnen würde. Dass das Herz, in welcher Form auch immer, stets das letzte Wort haben möge. Diese Erfahrung habe ich mit Männern nicht gemacht. Genauer: ich habe meist die gegenteilige Erfahrung gemacht. Und das ist der Grund, warum ich mein Problem mit der Philosophie- oder Theorieszene habe. Weswegen mir der Zugang dazu so schwer fällt. Warum es es mich nicht mit allen Kräften dorthin zieht. Weil ich das Gefühl habe, dass das da nicht gegeben ist. Dass da das Herz nicht das letzte Wort hat. Oder dass es, sehr viel öfter noch, gar nicht um das Herz geht. Dass das Herz als Kompasselement, als führende Hand, gar nicht zugegen scheint.