2021, Juli

1. 7.

In meinen Kontaktschwierigkeiten zur Theorieszene (oder genauer: zur akademischen Szene), fällt mir auf, wie künstlerisch ich doch arbeite, wie Künstler ich doch bin.

In meiner Ortlosigkeit bin ich ein Ort. Ich muss nur zu flimmern, immer flimmern. Für sie bleiben. Für sie sein.

Es gibt keine Kritik, die mich kann erhaschen. Kein Urteil, das mich kann zerteilen.

Ein dunkler Engel, ein fallender Stern

2. 7.

Ich spreche nicht mehr von ›uns‹. Spreche nur noch von mir. Als wäre jemand von mir gegangen.

Wenn ich was tue, ist es kommunal. Sobald ich in der Lage bin, zu sprechen oder mich zu bewegen, bin ich mit den Menschen.

Das Ende der Landebahn des Tempelhofer Felds am Abend. Durch die Bäume an der Okerstraße leuchten die Laternen.
5. 7.

Ich höre gerade viele Adorno-Recordings. Er hat ja viel gesprochen im Rundfunk. Es ist anders als in seinen Büchern. Und er ist gar nicht so beißend negativ. Manchmal schon, oft aber auch nicht. Er hat Witz und ist charmant. Seine Stimme ist oft die sanfteste und schönste unter den Sprechenden.

*

Also. Wir sind kranke Kinder. Elternlose Kinder. Einsame Kinder. Uns eint eine gewisse Strenge. Wir sind strenge Kinder. Auferlegt uns, von den Eltern. Also unser Leben kennt eine große Restriktion. Wir sind restriktiert. Gehindert, gehemmt. Wir kommen nicht weiter. Auch haben wir neurotische Lebenspläne. Wir sind leistungsorientiert auf schlechte Weise. Gleichzeitig sind wir begabt. Und wir sind in all dem – deutsch.

Es ging mir zuerst auf bei Alexander Kluges »Abschied von gestern«. Die Straßen Frankfurts, ihre Lichter, gefilmt in schwarz-weiß. Das macht etwas mit mir. Das enthebt mich. Welten, die ich kenne. Und so ist das auch im Sprechen. Die Vertrautheit des Deutschen und seiner Gewalt.

7. 7.

Wer nie mit Agonie das Bett verließ.

Immer, wenn Vera weg ist, beginnt die religiöse Praxis. Denn erst dann bin ich wirklich allein. Und immer, wie letztes Jahr, als es wirklich bergab ging, als ich wirklich einbrach, war das in der Zeit ohne sie.

10. 7.

Man muss zu den Menschen in sich sprechen. Sie müssen ihre Gesichter schöpfen durch meine Worte.

Ida ist so durchdrungen von der Liebe zu mir. Und ich wurde wichtiger für E. durch mein Gehn.

Alle diese Menschen von denen ich Screenshots mache – sie gehören zu meiner Familie.

Es ist seltsam, wie meine Finger schreiben und nicht ich. Wie meine Hände sagen und nicht ich.

Gebrochenheit heißt auch, die Welt in ihrer Komplexität zu halten: Trauer und Hoffnung, schön und schrecklich.

13. 7.

Er macht die Tür auf und spricht mit einem gesellschaftichen Selbst.

Oder: sie geht durch die Straßen ganz in sich versunken, eine Realität, die ich nicht kenne. Kappe ins Gesicht, Arme zu Mauern um sich flankiert. Und dann spreche ich zu ihr, es bricht, und eine wirkliche Stimme spricht zu mir.

Ich habe nach wie vor Angst, meine Sachen zu zeigen. Die Einsamkeit resultiert weiter aus meinem nichtsprechenden Erbe; und aus jeglichem anderen Erbe, das die Menschen zu mir brachten.

14. 7.

Vielleicht lerne ich hier, dass ich mehr beschreiben muss. Wie die Sachen auf meinem Tisch liegen, so etwas. Keine langen Beschreibungen, aber dennoch Beschreibungen.

Vielleicht ist dies, was mir immer fehlte – Literatur? Die Ungegenständlichkeit bei Nietzsche etc.

Es ist nicht häufig, oder nicht besonders häufig, dass man jemanden trifft, mit dem man sein und bleiben kann.

16. 7.

Mothers, and their daughters, at least the ones I know, are bad at communicating. They grow up with fathers they deem incapable, so they never attempt to learn it.

18. 7.

Oft, wenn es mit einer Person auseinander geht, führe ich es auf kulturelle Dinge zurück. Dass ich nicht so bin, wie sie es brauchen. So, wie es ihre eingerichtete Welt bestätigt, affirmiert. Ich breche mit dieser ihren Welt, bin ein Stachel, eine Wunde, eine Scherbe.

Und dann denke ich, es gibt doch niemanden sonst. Alle, die ich kenne, lesen diese Bücher, halten sich an das Gemeine. Wie soll ich wen finden, dessen Leben ich nicht breche. Ich denke, ich würde sie befreien, doch das tue ich nicht.

DENN DIESE MENSCHEN SIND AUSSENSEITER. DIE MENSCHEN, DIE ICH LIEBE, AFFIRMIEREN BESTEHENDES NUR MIT EINEM HALBEN HERZ. UND MIT DEM ANDEREN HALBEN AFFIRMIEREN SIE MICH. DOCH AM ENDE GEWINNT DER HUMUS IHRER EXISTENZ. DAS, WO SIE ANSCHLUSS SEHEN. DAS, WO SIE EINE GESELLSCHAFTLICHES AUFGEHOBENSEIN ERSPÜREN. UND NICHT BEI MIR. FERN DAVON, FERN IM BRUCH. IN DER UNGLEICHHEIT, IM FALL, IN DER ZERBROCHENHEIT.

Es ist eine Geschichte, die bis zu meiner Mutter zurückgeht. Denn sie sah dieses Kind und fühlte es, fühlte Sympathie, doch dann war da die Welt, die ihr sagte, dass dieses Kind so nicht sein könne; oder dass, wenn dieses Kind so sei, sie dafür keine Worte, keine Zustimmung, keine Bejahung übrig hätte. Kein Verständnis, kein Umarmen, kein Unterstützen.

Am Ende gewann die ihre Welt, diese die sie zum Leben brauchte. Ohne die sie nichts wäre. Ohne diese sie hineingestiegen wäre in diese eternale Gebrochenheit ihres Kindes – die auch die ihre ist.

Es ist bekannt, dass Einsamkeit nicht dadurch entsteht, niemanden um sich zu haben. Sondern gerade dadurch, dass Menschen da sind, vielleicht sogar Vertraute, die sich fern anfühlen, zu denen man keine Nähe oder nicht ausreichend Nähe aufbauen kann, die einem nicht zuhören, einen nicht verstehen.

Vielleicht ist das Auslass für mein gesellschaftliches Unbehagen. Dass nun so viele in meinem Alter als Schreibende existieren; dass die Themen, und vor alle die Theorie, die mir nahe ist, und die mir alles bedeutet, es in eine stärkere Öffentlichkeit, in den Mainstream geschafft hat. Und bei all dem auf eine Weise, die mich eher entfremdet, mich auf mich zurückwirft, die mich nicht anknüpfen lässt, und die mich nicht aus dem Schatten treten lässt.

*

Männer können großartig sein. Erotisch großartig, besänftigend großartig. So großartig, dass ich mich in ihre Lippen, in ihre Muskeln, in ihre Ruhe und Sanftheit fallen lassen möchte.

Doch. Mir fehlt etwas. Und es fehlte oft. Nämlich sowas wie eine Beständigkeit des Herzens. Die Gewissheit, dass das Herz immer gewinnen würde. Dass das Herz, in welcher Form auch immer, stets das letzte Wort haben möge. Diese Erfahrung habe ich mit Männern nicht gemacht. Genauer: ich habe meist die gegenteilige Erfahrung gemacht. Und das ist der Grund, warum ich mein Problem mit der Philosophie- oder Theorieszene habe. Weswegen mir der Zugang dazu so schwer fällt. Warum es es mich nicht mit allen Kräften dorthin zieht. Weil ich das Gefühl habe, dass das da nicht gegeben ist. Dass da das Herz nicht das letzte Wort hat. Oder dass es, sehr viel öfter noch, gar nicht um das Herz geht. Dass das Herz als Kompasselement, als führende Hand, gar nicht zugegen scheint.

19. 7.

Am Ende gewinnt eine Welt, die nicht meine ist.

Sie wiederholt, wie gut und richtig es sei, das jetzt zu beendet zu haben und dass, wenn es weiterginge, es für uns beide ganz verheerend enden würde.

Was sind wir Menschen doch für Lügenwesen, Fabelwesen. Was träumen wir alles. Man könnte meinen, die Träume, die wir erspinnen, die bunten Wandbilder, die sich im Dunkeln durch die Fäden der Nächtlichkeit ziehen, unsere Hoffnungen und zu ins Sein kommenden Erwartungen, machen uns mehr aus, machen einen größeren Teil unseres Denkens und Existieren aus als wirklich irdische Dinge und ihre Notwendigkeiten, wie das Essen, Waschen, Reden, usw. Also nicht nur ist die Welt, die menschliche Welt, durch und durch narratisiert, sie ist nicht nur ein Gewebe aus Sinnzusammenhängen, die sich im Wandel der Zeit verändern, nein, sie ist auch ganz und ganz eine Geisterwelt, eine Traumwelt, eine Welt unserer Projektionen, unserer Farbenspiele und Erdenkungen. Wir reiten durch die Welt auf Einhörnern. Wir sind in Extase. Wir leiden in Höllenqualen in alles abschneidender Düsterkeit. Wann sind wir denn wirklich ›hier‹, wann sehen wir denn, was wirklich ›ist‹? Oder anders auch: wann sind wir denn bloß ›sozial‹, also ›gegenwärtig‹, und ›bei den anderen‹? Sind wir nicht eher Traumwesen geisternd umher? Als Traumwesen stiften wir uns an, partizipieren an Gemeinsamen, als sei es nicht (und generell nichts) real.

Kein Tag vergeht ohne das Singen der Zeit

Eine Küchenplatte mit frisch geformten Gnocchi auf einem Holzbrett. Mehl ist überall.
20. 7.

Pudding gefrühstückt.

In der Küche noch konnte ich besser nachdenken

When you are with someone
You have to deal with their whims
Ich muss so oft Scherben aufkehren
Es sollten meine Scherben sein

Am Ende geht es doch um Bestätigung, gebraucht werden, Liebe, andere brauchen, andere lieben, andere bestätigen

Abends werde ich schwach und es ist wunderlich, weil ich mit so viel Hoffnung und Drang in meine arbeitsfreien Tage gehe, und dann, nach zwei Tagen merke, wie einsam ich bin, wie nicht mehr weiter ich weiß.

Die Menschen kennen keine gemeinsame Tätigkeit. Oder die Tätigkeit ist bloß: die Arbeit.

Und dann doch, sind da die Mädchen. Sind da die Mädchen, die mich sehen. Finden mich schön. Haben größte Angst. Sind wahnsing, haben ihre Probleme. Und ich will sie ja auch nicht. Ich will eine Gesellschaft. Ich will im Pool mit anderen sein. In einer Klasse, in einer Gruppe, in einem Verband. Ich will zugegen sein inmitten Menschen. Innerhalb derer ich kann blühen. Als solche sie können mich sehen. Und statt ihrer ich aufhöre zu darben.

Doch dass ich nun heute tate, jetzt tate, mir etwas Gutes wollte, oder tief von innen brannte, bettet meinen Schmerz; beruhigt ihn.

Die deutsche Sprache ist ein Geschenk. Und auch wenn das Deutsche mit festester Sicherheit allen Glanz verschüttete, er unwiederbringbar irgendwo im Verlauf der Weltenzeit hinten abgefallen ist, so ist dennoch Glücklichkeit und vor allem die Liebe eingebettet in diese Sprache. Denn das sagt niemand nie. Nur, dass die Sprache als Machtsystem über uns herrsche, alles Gräuel und Niederhaltende in sich verwahre. Doch nicht, dass die Liebe, alles also, genauso in ihr aufgehoben, in ihr enthalten ist. Und dass sie auch als Zusammenbringungssystem, als Machtopportunität des Guten, weiter ihre Wirkung hat und vielleicht, über die Zeiten hinweg, der Liebe einen nicht allzu schlechten Dienst erwiesen hat.

21. 7.

Wer in der heutigen Zeit von Gott spricht, musste viele Hindernisse überwinden.

Wie einsam ist das Herz

22. 7.

Gut heißt: seine Motive offenlegen, sie nicht zu verschleiern
Schlecht ist: verschleierte Motive, verschleierte Handeln.

Nur wenn wir an das Menschliche der uns anderen glauben, lässt sich diese Welt aushalten.

23. 7.
Bunte Bleiverglasung in dem Treppenhaus eines Berliner Mietshaus. Der Blick geht in den Innenhof, ein kleines Teilfenster ist geöffnet.

Es gibt die harten und kalten Menschen, sie nennen sich Männer. Und es gibt diese, für die ist das Leben bestimmt. Das sind wir Frauen.

Wir können nur schreien, im Abgesang der Welt

Das Gebot der Stunde muss doch sein, uns loszuschlagen, von allem Diesen, uns nicht anzubiedern, anzuknüpfen, uns nicht in neuer und lichterner Entschiedenheit zu unterwerfen.

Ich weiß nicht, woher diese behelfsmäßige Schwierigkeit artet, sich in den Unterscheidungen und der Genauigkeit zu üben. Denn mit Nietzsche gesprochen, sind es doch die geteilten Erfahrungen, in einem weiteren Sinne, die zu einer gemeinsamen Sprache, einer gemeinsamen Erfahrung, einem gemeinsamen Gefühl beitragen.

Wir entstehen und entgegenstehen der Dominanzgesellschaft.

24. 7.

Das vorherrschende Gefühl, wenn ich durch die Straßen sehe, ist ein Nicht-Geliebt-Werden.

Härter sein? Gar nicht zweifeln? Es funktioniert. Doch was, wenn ich mich auch angeben, hingeben möchte in den Schoß, in die Hände, in den warmen, mich haltenden Bereich.

25. 7.

Ich werde schlauer und schlauer, auch wenn ich es mit Stücken meines Herzens bezahl.

Kein Segen ist mit dir zu machen, kein Heil zu schauen, kein Lied zu singen. Irgendwo in deinen geschlossenen Augen kracht unsere Anfangsliebe zu Boden.

Es entstammt einer früheren Zeit, als der Missbrauch sich noch ungeschützt, wie ein auswegloser Sommerschauer, über uns ergoss.

Kein Sinn ist im Entstehen. Nur Fetzen meiner Bewandtnis, Fetzen meines Gehens in den Spiegelungen des Lichts.

Wo sehen wir unser Heil?

Fänge und Arme der Gesellschaft. Heilend um mich rum. Aufgehoben an diesem Ort.

Es ist eine unreale Welt. Das, was da um mich ist, existiert nicht. Vielleicht auch weil die Menschen selbst nicht existieren. In ihrer Ungebrochenheit, in ihrer Kohärenz, in dem Schein ihrer Gesellschaftlichkeit. Da ist nichts, kein Mensch, kein Sein, keine Liebe. Sie entstünde nur im Ansprechen ihrer.

Und so ist es nun, dass sich mein Leben veränderte. Nachdem ich als Jugendlicher diese Welt aus Angst oder Intuition verachtete, sie als Todesland begriff. So kam an dessen Stelle ein Küssen mit diesen Mumien und Verschütteten, diesen Den-Schmerz-Nicht-Wahr-Haben-Wollenden. Diesen Noch-An-Der-Welt-Und-Dem-Leben-Festhaltenden. Und zerbrechen sollte ich an ihnen.

Die Gemeinen verrauchen im Wust der Gegenwart. Ohne Ehrruhm, ohne das gewaltige Hoffen einer neuen Zeit.

UND WO SIND DIE WEGE DES ZU KOMMENDEN. WO IST DER TAU, DAS SÜSSE, UND DER WEG? ICH SAH IHN, ERKUNDETE IHN, ICH KOMME WIEDER, ZERSTOCHEN AUS DEN HECKEN. UM EUCH ZU ZEIGEN, WAS ICH SAH.

Mit Menschen, die in irgendeinem positiven Verhältnis zu ihrer Familie, also den Älteren, stehen, und seien es ihre Geschwister (oder überwiegend Freunde zu haben, die das tun), bin ich inkompatibel.

Ich bin ein Abgesang, eine totale Restriktion dieser Lebensweise.

Keine Hand ist zu halten, kein Tau zu erspähen, kein Hals zu liebkosen.

UND DU SAGTEST MIR NIE, WIE ICH IN DEINEM ERMESSEN, IN DEINEM SCHEITERN, IM SCHLUCHZEN DEINES HERZENS ALLES SEI. WIE DU DORT STANDEST ALLEIN, UND AUS EITELKEIT ODER FRÖMMIGKEIT DES ZU DIR GEBOTENEN NICHT ZU MIR SPRICHST, NICHT ZU MIR AUFRICHTEST, NICHT DEN EHRLICHEN VERSUCH UNTERNIMMST. UNTERGEHST UND STEHST IN EINER DIR ZUGEMESSENEN BEFINDLICHKEIT

Keine Welt zu erstricken, kein Pfad zu erhellen, kein Gebiet zu erreichen.

Wie ich in der Anwesenheit deiner, im Wasser der Hoffnung von dir schöpfte

So ist das Beschreiben: die Vorgänge, Wesen, Figuren, werden dinghaft, gehen in mich ein, werden taktil im Greifen meiner Hände, sprechbar als Worte aus meinen Mündern und handelbar als geteilte Erfahrungen unserer Geiste. Wie dein Körper der meinige ist als gelebte Erfahrung, in der wir verkehrten.

So ist dein Bauch gespannt, weiche Haut. Sportlichkeit. Verränken unter meinem Körper. Biegen und ungläubig, so etwas, verlangend und zerfließend, unter mir zu sehen. Und die Haare auch, wenn ich an die Grenzen meiner Kraft komme, gegen deine Erregungen stemmend, die Erschöpfung meiner Hände, dich im Bewegen zu halten. Und dann stehst du im Zimmer und um deine Hüfte ist das Handtuch wie ein Perserteppich, und deine Haare sind gestreift zur Seite. Die Blätter vor dem Fenster leuchten. Und alles rauscht, als wäre auf der Straße das Meer – das wir haben uns vereint hierhin geholt.

Und in den Gesprächen mit meiner fiktiven Therapeutin erzähle ich unerlässlich, dass du, ja Du, der einzige Grund bist, warum ich noch am Leben bin, je am Leben war. Weil du warst wie eine Tochter, und mir zeigtest, was es ist, eine Familie zu sein.

Kein Ding zu groß, kein Traum zu fern, keine Wirklichkeit zu erstechend.

Denn trotz allem, und vielleicht bin ich da einfach gestrickt oder zu vereinzelt geseelt, habe ich selten, nie, so eine Verwandtschaft im Mitsein, so eine Vibranz im Miteinander gespürt wie mit dir. Aber das ist ja alles egal, du willst es nicht hören. Ich habe das ja schon versucht zu sagen, und es versickerte ungehört.

26. 7.

Kein Laub ist gegangen, kein Fluss ist geflossen, kein Schicksal war mit dir.

Kein Herz blühte, kein Himmel schrie,
keine Augen lagen in uns süß

Ich möchte wieder was schaffen – denn was schaffen, das heißt eigentlich: zu den anderen treten und von ihnen gesehen werden.

Ich will eigentlich Menschen, die es zerreißt. Denen jeder Schritt zu viel unter Menschenaugen säurender Untergang ist. Die das nicht können. Weil ich es nicht kann.

So viel persönlichen Glücks ist ein gesellschaftliches.

Und es wird dann auch klar, warum es ein Anheimfallen ist, das geschieht.

Ich bin einsam. Habe ich das schon gesagt?

27. 7.

Vermisse Liebe und Geborgenheit, denke an E.
Auch wenn ich sie dort nicht empfing.

Werde müde und betätigungslos

Das Leben ist Betätigung. Deswegen ist es oft leichter, in einer schrecklichen Beziehung zu bleiben, als allein zu sein.

Angeschossen

Kommt zu meinem Brunnen, verzweifelt liege ich da.
Also hier ist der Brunnen, und da ist das Haus drum rum.

Denn so wie kein Herz nach dir schaut.

Dieses Wirtschaftssystem. Es wird mir als schlechte Idee fast sympatisch.

Ich stize im nassen Holz und versuche ein Brennen zu machen.

Was ist aber, wenn du diesen Versuch machst, diese Welt ins Hier holen willst, aber das Distinkte konkret davon abhängt, dass es von einer anderen Person mitgetragen, bzw. anerkannt wird? Also, du willst einen positiven Moment auf der Straße erschaffen, oder mit einer Person in einem Treppenhaus, aber jene Person denkt, du bist ein Irrer, oder ignoriert dich einfach, oder, im schlimmsten Fall, übersetzt den Moment zu einem ewigen Scheitern?

Das ist wohl die Schwierigkeit, der wir alle Menschen ausgesetzt sind und mit der ich, zugegeben, nicht gut zurande komme.

Erstmals publiziert: Juli 2022.