2021, Mai

3. 5.

War heute bei einer Therapiestunde. Als es um Esther ging, habe ich geweint. Ich wollte nicht über sie sprechen. Doch dann fragte mich die Therapeutin, ob ich darüber nachdenke, mich umzubringen.

Und das Einzige, was ich fühlte, war der Trennungsschmerz, die Trauer über die zerbrochene Beziehungen zu ihr.

4. 5.

Jeder Mensch, der nicht an der Mehrheitsgesellschaft partizipiert, es nicht kann oder will, gehört ihr nicht an.

Ich will Einsamkeit als etwas Sorgsames konstiutieren.

5. 5.

Ein kühler Schal aus Tränen legt sich um meine Haut.

Wenn man selbst ist, sortiert sich die Welt.

6. 5.

Esthers Abuse war der einzige Weg, für sie in unserer Beziehung Oberwasser zu behalten.

Ich kann manches nicht denken, weil die Wahrheit, die es würde bereiten, mich in meinem Sagen erstickt.

8. 5.

Heute zum ersten Mal Ida getroffen. Sie hat Gefährliches, was ich schon kenne. (Schwierigkeiten sich einzulassen.) Doch es war gut. Ich mag sie. Es wird mich durch den Tag reiten.

9. 5.

Gestern auf dem Fahrrad noch an Ida gedacht. So, dass ich fühlte, ihr alles erzählen zu müssen, was mir gerade widerfährt. Als sei sie meine erste Ansprechsperson. Doch sahen wir uns erst ein Mal.

Ich bin aufgewacht mit Verlangen nach ihr; Liebesgefühl. Sie hatte mir nachts noch geschrieben. Ich sah es, als ich auf die Uhr schaute.

*

Eine große Angst ist in mir. Ich höre Angeles von Eliott Smith. Es ist, als müsste ich mich von ihr trennen, bevor ich sie überhaupt kennenlerne. Ein vorverlegter Schmerz. (Ich liebe sie so sehr.)

10. 5.

Wir treffen uns am Karpfenteich.11. Ein Gewässer im Treptower Park in Berlin. Ich treffe ihre Freunde und alle sind ziemlich angespannt. Küsse auf der Wiese etwas abseits davon. Ich werfe sie erfolgreich mit dem Rücken ins Gras. Nach einer Weile beobachten uns zu viele Menschen. Ich lege meinen Kopf in ihren Nacken.

Sie will in den Plänterwald. Die Luft ist süßlich und durchdrungen vom Duft der Blätter jenseits der Wege. Wir sitzen am Ufer und schauen aufs Wasser. Babyenten schaukeln auf den Wellen der Boote. Sie ist müde geworden von der Sonne. (Zu wenig getrunken.) Wir fahren zu Lidl und ich kaufe ihr Wasser und einen halben Liter Smoothie. Sie wartet bei den Einkaufswagen. Abgekämpft, in ihrem hellen Shirt.

Wir fahren über die Grenzallee zur Hermannstraße. Eine weite, asphaltierte Trasse – übergroße Firmenlogos schieben sich durch den Himmel. Die Autobahn raunt in der Ferne, und unter uns liegen Schrottplatz und Hafen. An einem Tisch vor Pho Phan bestellt sie mir ein Curry mit Udon. Der Bürgersteig wird zum Boden einer Stube.22. Es gelten zu dieser Zeit Covid-19-Regelungen, die nur einen Straßenverkauf erlauben. Sie reicht mir das Essen und wir fahren zu ihr.

*

Ein großer Streit in der Nacht. Es geht um meinen Namen. Als ich ihr von den verschiedenen Bedeutungen erzähle, der Entfremdung, dem Märtyrertum und der Heiligkeit, be­ginnt sie zu wei­nen. Sie denkt, ich sei größenwahnsinnig. Kurz davor sagte ich ihr noch, dass ich sie wirklich mag.

Ich fahre nach Haus.

11. 5.

Wie oft ich hier schon saß. Verankert der staubigen Erde der Hasenheide. Es sieht schlecht aus mit Ida. Ich sollte mich lösen, ich sollte mich entsagen.

12. 5.

Ich weiß nicht warum, aber zu viel Sicherheit tut den Menschen nicht gut.

Am Ende entscheidet nur die wortlose Sprache.

13. 5.

Es ist besser, nicht zu sprechen. Nicht bewusst zu sprechen. Was kommt da schon, durch die bewusste Sprache? Nichts.

Was spricht und drängt, ist etwas in uns. Eine Kommunikation der Anziehung.

14. 5.

Ein Mensch, wenn er für uns sorgt, übernimmt komplette Kontrolle über uns. Er schlüpft in unserern Körper und lebt als wir.

Wenn meine Mutter heute meine Tränen nicht stoppt, wie soll sie es haben früher getan?

15. 5.

So much porn centers on the idea of not being wanted.

17. 5.

Ida kam zu mir.

Es war nass, als wir rausgingen, und die Sonne schien durch die Bäume. Ich holte mir einen Kuchen bei der Bio Company und aß ihn mit ihr.

18. 5.

Das Gedicht von Ida ist schön.

Ich möchte wieder schlauer sein. Schlauer reden, schlauer sprechen.

19. 5.

Wie tief kann ich zu einem Menschen stehen? Ich weiß es nicht. Und es ist, für den Moment, vielleicht auch nicht wichtig.

20. 5.

Ich habe den ganzen Tag an einem Video geschnitten, in dem ich mit Ida rede. Sie sitzt neben ihrer Gitarre, und zeigt mir Lieder. Leider darf ich es nicht veröffentlichen.

21. 5.

Ich habe (auch) ein ziemlich trauriges Set an Überlebensmechanismen.

23. 5.

Höre die Tracks von Ida. Ich muss aufschreien, weil ich nicht glauben kann, wie gut sie sind.

Wenn ich fortdenke, was ich da höre, bin ich ehrfürchtig vor der Größe, die mir da erscheint.

Die Probleme werden sich nicht legen. Doch vielleicht finden wir einen Weg. Ich hoffe es.

Denn das Sein spricht – und ich habe keine Kontolle über es.

24. 5.

Mein Leben besteht schon auch aus dem Gelingen meiner Kunst.

Ich habe zu wenig Zeit, sie zu verfolgen.

26. 5.

Wir gehören zusammen.

Ich will es so lange probieren, bis ich nicht mehr kann.

27. 5.

Fühle mich traurig. So wenig Zeit. Mein Aussehen muntert mich auf.

Es regnet Tränen der Beschäftigung.

28. 5.

Fahre nachts nach der Arbeit zu ihr. Keine Wechselsachen. Es ist schön, sie zu sehen. Entkräftet schlafe ich ein.

29. 5.

Man muss sich mit Menschen setzen, und einen Bannkreis spannen.

Wenn Ida sich an mich drängt, und ich ihr Kinderherz in mich steigen sehe. Wir liegen da, angeschmiegt, auf der von Paletten gestützten Matratze ihres Bettes, eingefasst in die niedrigen Decken eines Sozialbaus, um von dort als Nukleus das Verständnis der um uns wirkenden Metropole zu brüten.

Berlin pumpt wie ein Herz. Die Straßen ädern sich ins Land. Und wie die Sterne sich über uns drehen, keimen wir als Bewandtnis dieser kollektiven Zeitlichkeit.

There is nothing to plan, nothing to solve, nothing to heal.

Jedenfalls ist interessant, wie nah ich an Winckelmann bin in dem Sinne, dass Kunst eine Geschichtlichkeit braucht, um überhaupt begriffen werden zu können. Sie ist gebettet in die Prinzipien dessen, wie die Menschen denken und leben.

Die aktuelle Kunst versucht den Bereich des Alltäglichen zu erweitern und neu zu denken. Ich möchte den Alltag dagegen stabilisieren und in einem weiteren Sinne überhaupt erst konstituieren.

Es ist merklich, dass das, was ich in meinen Notizen am bezeichnendsten finde, oft nicht das ist, was ich beim Schreiben am wichtigsten finde. Oft ist die ganze Bewertung und Einordnung der Notizen komplett verschieden zum Schreibzeitpunkt. Das Unterbewusste darin – oder sollte ich sagen: das Sein? – spricht, hat seine eigene Logik und Denkweise. Etwas über das von mir Intendierte Hinausgehendes.

30. 5.

Mit Ida ist es vorbei, wie es schon so oft vorbei war. Sie schreibt es mir als Textnachricht. Diesmal weine ich nicht.

Erstmals publiziert: August 2021.
2021, Juni